Forschung
Als erste Professur für Cellular Agriculture in diesem sehr prominenten Forschungsfeld liegen unsere ausgeprägten Kernkompetenzen in der industriellen Biotechnologie. Diese reichen von der Entwicklung kostengünstiger und effizienter Verfahren, angefangen bei Methoden zur Stammentwicklung und Prozesskontrolle bis hin zu Aufreinigungsverfahren. Dies eröffnet die Möglichkeit, die gesamte Prozesskette abzudecken und dabei wichtige Effizienzparameter der industriellen Biotechnologie frühzeitig im Blick zu haben.
Die Forschung an der Professur für Cellular Agriculture adressiert die Herausforderungen des Feldes auf verschiedenen Ebenen. Auf molekularer Ebene wird die Produktion von Proteinen wie Albumin, Kollagen und Wachstumsfaktoren u.a. durch innovative Regulationsmechanismen gesteuert. Auf zellulärer Ebene werden Proliferation und Differenzierung mit Hilfe von Werkzeugen der synthetischen Biologie gesteuert, die eine gezielte Interaktion zwischen Zelle und Umgebung ermöglichen. Für eine Maßstabsvergrößerung wird die Effizienz der Zellkultur in hydrogelbasierten Mikroträgern oder Perfusionssystemen durch moderne Konzepte der Bioverfahrenstechnik optimiert. Auf der Ebene des 3D-Gewebe-Engineerings werden mit Hilfe eines KI-basierten Ansatzes Gefäßgeometrien entworfen, die Massentransferlimitierungen verringern.
Die Professur für Cellular Agriculture unterstützt die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen (UN).

Die weltweite Ernährungsunsicherheit, die durch Überbevölkerung und Klimawandel noch verstärkt wird, ist eine grundlegende Herausforderung, mit der die Menschheit im 21. Jahrhundert konfrontiert ist. Die Cellular Agriculture als aufstrebendes wissenschaftliches Gebiet kann effiziente und kostengünstige Lösungen für eine gesicherte Verfügbarkeit von Agrarprodukten bieten.

In der Tierhaltung werden in großem Umfang Antibiotika eingesetzt, die die Entwicklung multiresistenter Bakterienstämme fördern. Zudem kann Massentierhaltung eine Quelle für Krankheiten (Zoonosen) sein, wie die jüngste COVID-Pandemie gezeigt hat. Die Cellular Agriculture entschärft diese beiden Probleme durch den Einsatz von Zellkulturtechniken und die Verlagerung der Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen von den Höfen und Feldern in Produktionsanlagen. Außerdem sind maßgeschneiderte Lebensmittel mit ernährungsphysiologischen und gesundheitlichen Vorteilen denkbar.

Als Teil einer Universität in einem aufstrebenden Forschungsbereich sind wir stark auf engagierte junge Wissenschaftler angewiesen, die neue Ideen einbringen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Studenten und jungen Forschern die bestmögliche Ausbildung zu bieten, um die nächste Generation von Experten auf dem Gebiet der zellulären Landwirtschaft zu schaffen.

Die derzeitige weltweite Fleischproduktion beträgt etwa 328 Millionen Tonnen pro Jahr (im Jahr 2022). Auf Basis einer steigenden Weltbevölkerung wird die Nachfrage nach tierischen Produkten weiter zunehmen. Dies wiederum erfordert eine industrielle Infrastruktur mit angemessenen Produktionskapazitäten und innovativen Bioreaktordesigns und -konzepten für effiziente und wirtschaftlich wettbewerbsfähige Prozesse.

Die Ausweitung des Lebensmittelangebots auf nachhaltig produzierte Alternativen zu landwirtschaftlichen Erzeugnissen ermöglicht es verantwortungsbewussten Verbrauchern, ihre Lebensmittelauswahl auf der Grundlage von Umwelt- und Tierschutzerwägungen sowie ihren eigenen persönlichen Vorlieben zu treffen. Die Cellular Agriculture kann zu dieser notwendigen Ausweitung eines verantwortungsvoll erzeugten Lebensmittelangebots beitragen.

Die Produktion von Agrargütern in biotechnologischen Produktionsanlagen kann dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen im Agrar- und Ernährungssektor zu reduzieren. Dazu werden die laborgestützten Prozesse mit Hilfe der Ökobilanzierung genau untersucht, bewertet und entsprechend iterativ optimiert.

Die zunehmende Abholzung von (Regen-)Wäldern, um Weideland für die Viehzucht zu schaffen, stellt eine wachsende Bedrohung für die biologische Vielfalt dar und fördert weiterhin die Versteppung großer Landstriche. Die biotechnologische Produktion von tierischen Lebensmitteln würde den übermäßigen Flächenverbrauch minimieren und unter anderem auch die Auswaschung von Stickstoff aus Gülle und die Einleitung von Düngemitteln (z. B. für die verstärkte Futtermittelproduktion) in das Grundwasser verringern.